Patientengeschichten
Veranstaltungsreihe im Medizinhistorischen Museum Hamburg
Donnerstags, 17. Oktober 2019 bis 16. Januar 2020, 18.30 Uhr bis 20 Uhr, Medizinhistorisches Museum Hamburg, Gebäude N30b (Fritz-Schumacher-Haus), Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Martinistraße 52 (Eingang Schedestraße / Ecke Frickestraße), 20246 Hamburg.
Der Eintritt ist frei.
In den 1980er Jahren setzte in der Medizingeschichte ein Perspektivenwechsel ein, der verstärkt nach den Erfahrungen und Wahrnehmungen von Patient*innen fragte und diese als historische Subjekte in den Fokus der Forschung rückte. Wie nahmen Patient*innen Krankheiten wahr, und wie erlebten sie Schmerzen? Wie gingen sie mit ihren Leiden um, wen konsultierten sie? Und welche Ausdrucksformen fanden Patient*innen, um ihre Nöte und Ängste einem möglichen Gegenüber zu vermitteln? Die Erforschung dieser Fragen erforderte die Sichtung bislang unbeachtet gebliebener Quellen und erneuerte die Medizingeschichte grundlegend. Die Veranstaltungsreihe des Medizinhistorischen Museums widmet sich mit einer Lesung, einer Themenführung sowie zwei Vorträgen dem Homo patiens in der Geschichte der Medizin.
Vor den Veranstaltungen können die Dauer- und Sonderausstellung des Museums ab 18 Uhr kostenlos besichtigt werden.
Die Veranstaltungsreihe wurde von der Ärztekammer Hamburg als „Fortbildungsveranstaltung“ anerkannt. Pro Termin können 2 Fortbildungspunkte angerechnet werden.
Darüber hinaus gibt es eine Wiederaufnahme der theatralen Dokufiktion „Wahnsinn aus Heimweh 1910“ von Anne Rietschel: Das Stück widmet sich einer Gruppe von Amerika-Auswanderern, die von der US-Behörde u.a. mit der Begründung „geisteskrank“ zurück nach Europa geschickt wurden.
17. Oktober 2019, 18.30 Uhr
Patientengeschichten in Objekten. Eine Spurensuche in den Ausstellungsräumen des Medizinhistorischen Museums
Themenführung mit Monika Ankele, Henrik Eßler und Philipp Osten
Welche Exponate in den Ausstellungsräumen des Museums legen Zeugnis von Patient*innen ab? Welche Objekte haben Patient*innen hinterlassen, und was erzählen sie vom Leiden der Kranken? Wie haben Patient*innen bestimmte Objekte genutzt, welche Bedeutung konnten diese für sie haben? Und welchen Beitrag leisten diese Exponate für die Medizingeschichte? Die Themenführung geht diesen Fragen mit einem Rundgang durch die Dauer- und Sonderausstellung des Museums nach.
14. November 2019, 18.30 Uhr
Das Krankenbett. Von der Wahrnehmung der Welt im Liegen
Lesung mit Benjamin-Lew Klon und einer Einführung von Monika Ankele (Medizinhistorisches Museum Hamburg / Institut für Geschichte und Ethik der Medizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf)
Virginia Woolf, M. Blecher, Thomas Bernhard, Marcel Proust – so unterschiedlich diese Autor*innen auch sind, so ist ihnen gemeinsam, dass ihr Leben von Krankheit geprägt war und sie ihre Zeit vorübergehend oder dauerhaft im Bett verbringen mussten. Aus dieser horizontalen Position entfalteten sie ihren beobachtenden Blick auf sich und die Welt. In ihren literarischen Zeugnissen reflektierten sie über die Welt der Liegenden und die veränderte Wahrnehmung im Zustand des Krankseins. Die Lesung versammelt Auszüge aus literarischen Texten, die sowohl über das Krankenbett als auch im Krankenbett geschrieben wurden.
Monika Ankele ist Kuratorin am Medizinhistorischen Museum Hamburg und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geschichte und Ethik der Medizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. In ihrem aktuellen Forschungsprojekt, gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, widmet sie sich Räumen und Objekten psychiatrischen Handelns, u.a. am Beispiel des Krankenbettes.
23. und 26. November 2019, 20 Uhr
24. November 2019, 18.30 Uhr
Wahnsinn aus Heimweh 1910: Amerika Rückwanderer in der Anstalt Friedrichsberg. Eine theatrale Dokufiktion von Anne Rietschel und Team
VVK | AK 20,00 € | 15,00 €
Karten unter:
www.wahnsinnausheimweh.de
5. Dezember 2019, 18.30 Uhr
Kinder als Patienten. Das Beispiel einer misslungenen Operation im 18. Jahrhundert
Vortrag von Iris Ritzmann, Zürich
Im Herbst 1759 starb ein kleines Mädchen nach einem gesichtschirurgischen Eingriff. Der Todesfall wurde gerichtlich untersucht, Juristen und Ärzte beigezogen, die Eltern und der Operateur verhört. Die vielen Akten bieten einen Einblick in die Wahrnehmung und den Stellenwert kranker Kinder in der Vormoderne.
Iris Ritzmann leitete von 2011 bis 2013 das Medizinhistorische Institut der Universität Zürich. 2012 wurde sie zur Titularprofessorin für Medizingeschichte ernannt. Sie ist Kuratorin und Sammlungsleiterin des medizinhistorischen Büchermuseums „Muri“ und arbeitet als Ärztin in der Praxis „Medizin Feminin“. Aktuell leitet sie ein Forschungsprojekt des Schweizerischen Nationalfonds zum Thema „Kinderpsychiatrische Expertise und Fremdplatzierung“. 2008 erschien ihr Buch „Sorgenkinder: Kranke und behinderte Mädchen und Jungen im 18. Jahrhundert“.
16. Januar 2020, 18.30 Uhr
Bettine von Arnim und die Gesundheit
Vortrag von Martin Dinges, Stuttgart
Sie war die literarischen Stilikone der Romantik, die ideale Kombination aus adligem Standesbewusstsein und gehobenem Bürgertum, das heftig umstrittene „It-Girl“ des frühen 19. Jahrhunderts. Zu ihrer Selbststilisierung gehörte eine hohe Kompetenz in Gesundheitsdingen, durch die sie mit der Zeit breite Anerkennung erwarb.
Am Ende ihres Lebens ist sie eine bekannte Homöopathin. Aus einer Fülle von Briefen und Tagebuchaufzeichnungen Bettine von Arnims und ihres prominenten Umfelds hat Martin Dinges eine packende Gesellschaftsgeschichte destilliert.
Martin Dinges war bis 2019 stellvertretender Direktor und Archivar des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung Stuttgart. Im Mittelpunkt seiner Forschungen stehen Patient*innen und ihre unterschiedlichen Körper- und Krankheitserfahrungen sowie ihre Bemühungen um Gesundheit. Der Vortrag basiert auf seinem neusten Buch: „Bettine von Arnim und die Gesundheit. Medizin, Krankheit und Familie im 19. Jahrhundert.“
Koordination: Dr. Monika Ankele, [email protected]